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SR031: Die Sozialbrache im Hochgebirge am Beispiel des Außerferns

Franz Greif, Wolfgang Schwackhöfer

Die Verbreitung von brachen Grünlandflächen in Österreich ist im Hochalpengebiet wesentlich stärker als in den übrigen Landesteilen. Derzeit werden im gesamten Bundesgebiet schätzungsweise rund 300.000 ha landwirtschaftliche Nutzflächen nicht mehr genutzt. Der größte Teil (mindestens drei Viertel) dieser Flächen sind Extremflächen der Alm- und Bergmähderregion.

Der Begriff "Sozialbrache" im Hochgebirge erfordert die Berücksichtigung der Unterschiede zwischen brachliegenden Äckern und ungenutzten Wiesen und Weiden. Während es bei der Ackernutzung keine kontinuierliche Extensivierung der Bodennutzung gibt, ist eine solche bei der Grünlandnutzung sehr wohl für die Brachlandsituation von Bedeutung. Wie in allen anderen Gebieten mit Auflassung der Bodennutzung sind auch im Bezirk Reutte Grenzertragsflächen, deren Nutzung wegen Unrentabilität aufgegeben wurde, von Brachflächen, deren Bewirtschaftung hauptsächlich aus sozialökonomischen Gründen unterbleibt, zu unterscheiden.

Im Bezirk Reutte waren 1976 rund 14.000 ha landwirtschaftliche Nutzflächen ungenutzt. Ins Auge springen die ungenutzten Talflächen, die mindestens 1.400 ha umfassen und ökologisch günstige Standorte einnehmen. Flächenmäßig dominiert die Verbrachung ausgedehnter Hochflächen des alpinen Grünlandes.

Insgesamt können fünf Brachlandtypen unterschieden werden:

  • Ebene Intensivflächen in den Niederungen
  • Flachere und steilere Talweiden
  • Verlandungsgebiete an Flußläufen und Feuchtflächen
  • Bergmähder
  • Ungenutzte Almflächen

Die Ursachen der Nutzflächenauflassungen sind außerordentlich vielschichtig, wobei ökologische und speziell morphologische Gegebenheiten an erster Stelle stehen. Besonders große Bedeutung hat die Geländeneigung. Nahezu alle Bergmähder sind für eine maschinelle Bewirtschaftung zu steil. Auch in den Tallagen des oberen Lechtales ist die starke Hangneigung eine Ursache des Brachfallens. Dagegen ist festzustellen, daß sogar Wiesen in extremer Schattseitenlage zumeist bewirtschaftet bleiben, wenn sie eben oder nur sanft geneigt sind.

Größere Anteile von Brachflächen in Feuchtlagen finden sich nur im Raum Reutte-Berwang (Krekelmoos), im seenahen Teil der Gemeinde Heiterwang, wo eher von "natürlichem" Brachland gesprochen werden muß, sowie in einigen Teilstücken des Lechtales unterhalb Reutte.

Im Hinblick auf die naturräumlichen Gegebenheiten ist die Entagrarisierung im Bezirk Reutte eine Flucht aus extremen bergbäuerlichen Existenzverhältnissen. Der Anteil der Agrarbevölkerung ging in den letzten 15 Jahren von 22 % auf 5 % zurück. Dank der Industrialisierung des Außerferns konnte der größte Teil der aus Land- und Forstwirtschaft ausgeschiedenen Arbeitskräfte im Bezirk bleiben. Nach Meinung landwirtschaftlicher Fachleute der Region können heute nur noch etwa 5 % der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe als entwicklungsfähig bezeichnet werden.

Die dritte wesentliche Ursache für die Brachlandentwicklung liegt in den regionalspezifischen Besitzverhältnissen. Der größte Teil der Wälder und Almen ist gemeinschaftlicher Besitz, für den gemeinschaftliche Nutzung und Pflege gesetzlich verankert ist. Stark nachlassendes Nutzungsinteresse der meisten Gemeinschaftsmitglieder, die bessere Einkommensmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft vorziehen, haben zur Verwahrlosung vieler Gemeinschaftsflächen geführt.

Eine Verschärfung des Bodennutzungs- und Brachflächenproblems ist im Bezirk Reutte auch durch den Zustand der Wälder gegeben. Etwa zwei Drittel der Waldbestände sind schütter bestockt und überaltert. Die Schutzwälder können ihre Schutzaufgaben nur eingeschränkt erfüllen. Diese Waldflächen wurden daher als "Brachwälder" bezeichnet.

Der Zustand der Wälder und die Vorhaben zur Waldverbesserung, Schutzwaldsanierung sowie zur Steilflächen- und Hochlagenaufforstung stehen unter dem Einfluß eines um ein Vielfaches überhöhten Wildstandes und seiner nachteiligen Folgen.

Eine objektive Beurteilung der Sozialbrache im Bezirk Reutte hat folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

Sowohl in Tallagen als auch in der Almregion ist für die nächsten Jahre mit einer weiteren Zunahme des Brachlandes zu rechnen.

Es ist wegen der ungünstigen Einkommensverhältnisse in den regionaltypischen kleinen bergbäuerlichen Grünlandwirtschaften keinem Bergbauern zumutbar, auf gute außerlandwirtschaftliche Einkommenschancen zu verzichten. Eine finanzielle Abgeltung der Flächenpflege konnte diese Einkommensquellen bisher nirgends ersetzen.

Hochalpine Brachflächen sind aus ökologischer Sicht problematisch, da nach Aufgabe der Flächenpflege an vielen Stellen unerwünschte Veränderungen der Landschaft (wie Vernässung, Schneeschurf, Versteinung usw.) entstehen. Aufkommendes Gehölz wird durch den Schneedruck entwurzelt und kann zu Angriffspunkten für die Bodenerosion werden.

Aus landschaftsästhetischer und landschaftsökologischer Sicht ist die Nutzflächenauflassung besonders in den Talniederungen und Beckenlagen von Nachteil. Dadurch verwaldet der offenzuhaltende Talraum langsam. Anderseits bleiben mühsame und kostspielige Versuche zur Aufforstung der Steilhänge und Hochlagen nicht selten erfolglos.

Aus der Untersuchung ergeben sich Zielvorstellungen für eine Lösung des Brachlandproblems. Zur Beurteilung landwirtschaftlicher Umstellungsmöglichkeiten wurden regionale Betriebsmodelle jeweils für die drei Erschwerniszonen des Bezirkes kalkuliert.

Die vielfältigen rechtlichen Grundlagen sind maßgebend für die zur Diskussion gestellten Lösungsansätze. Die mit Abstand vorrangigen Maßnahmen der Forstwirtschaft sollten sich auf die Aufforstung von schätzungsweise 1.000 ha steiler Gefahrenflächen konzentrieren. Große Bedeutung ist auch der Grundzusammenlegung und der Förderung entwicklungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe beizumessen. Gegenwärtig besitzt offenbar auch eine weitere Extensivierung der Bodennutzung betriebs- und arbeitswirtschaftlich Chancen. Landschaftspflege ohne Agrarproduktion wird ansatzweise in einzelnen Fremdenverkehrsgemeinden bereits versucht. Für den Bereich der Almen und Bergmähder wird vorgeschlagen, die besten Almen weiter zu erschließen und für die Almwirtschaft zu erhalten.

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