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SR055: Die Bevölkerung in Österreichs Höhengemeinden

Franz Greif

zur Durchführung des Projektes wurde eine Computerdatei angelegt und ausgewertet. Es liegen nunmehr für die Gemeinden Österreichs ab 1000 m Seehöhe neben der Entwicklung von Einwohnerzahlen sowie der Geburten- und Wanderungsbilanz auch relativ detaillierte Angaben über sozialökonomische und regionalstrukturelle Strukturwandlungen, vorwiegend für das letzte Zensusintervall vor.

Sie beziehen sich auf

  • Merkmale der Raumstruktur von Gemeinden über 1000 m Seehöhe
  • Bodennutzungsverhältnisse
  • Wohnbevölkerung allgemein und nach Altersgruppen
  • Geschlechterverhältnis der Wohnbevölkerung
  • Wohnbevölkerung nach Wirtschaftsabteilungen
  • Land- und forstwirtschaftliche Betriebe und ihre Bevölkerung.

Mit Hilfe des Siemensprogramms "INFPLAN" wurden die genannten Datenbestände nach verschiedenen räumlichen Dimensionen, insbesondere nach Gemeinden und Höhenstufen ausgewertet. Die Ergebnisse werden in Form zahlreicher Tabellen, Skizzen und auch Texterläuterungen dargestellt.

Insgesamt erweist sich die Höhenregion Österreichs, an demographischen Kennzeichen gemessen, mit Ausnahme der Land- und Forstwirtschaft als eine durchaus dynamische Wirtschaftsregion - wohl in erster Linie dank des Fremdenverkehrs:

Die Einwohnerzahl ist in Gemeinden über 1000 m Seehöhe zwischen 1961 und 1971 um 8-16 % gestiegen (je nach Höhenstufe, am stärksten in 1500 bis 1600 m Höhe), zwischen 1971 und 1981 sogar um 14 bis 21 % (Maximum in 1400 bis 1600 m).

Die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe sind im Zeitraum 1970 bis 1980 insgesamt von 13.248 auf 12.119 (-9 %) zurückgegangen; dabei nahm die Zahl der Nebenerwerbsbetriebe in allen Höhenstufen Über 1000 m nur um 11 % zu, die der Vollerwerbsbetriebe jedoch um ein Drittel ab, am stärksten in Höhen über 1400 m (-51%). Die Abnahme der Agrarbetriebe in der Höhenregion war jedoch im allgemeinen schwächer als in tieferen Lagen der alpinen Berggebiete.

Die Zahl der Berufstätigen wuchs von 1971 auf 1981 je nach Region um 12 bis 30 %; daran sind die Berufstätigen in

  • Gewerbe und Industrie mit etwa 30-60
  • Handel und Lagerung mit etwa 50-100
  • Beherbergung und Gaststättenwesen mit etwa 50-90 %
  • beteiligt; die zahl der Berufstätigen in der Land- und Forstwirtschaft sank im gleichen Zeitraum um 10 bis 40 %, je nach Region.

Bei einer beachtlichen Zunahme der jungen Jahrgänge der 15 bis 35jährigen um insgesamt 25 % (1971-1981) herrschte 1981 in der Höhenregion Österreichs bei dieser Altersgruppe ein Frauendefizit von durchschnittlich 5 % (Kärnten 10 %, Tirol 11 %); nur in den Salzburger Höhengemeinden wurde ein Frauenüberschuß von 6 % registriert. Der Frauenmangel unter der land- und forstwirtschaftlichen Bevölkerung ist gebietsweise eklatant.

Generell ist festzustellen, daß die sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen in den Gebieten Österreichs, die über 800 bis 1.000 m Seehöhe liegen, relativ wenig bekannt sind. Dies beklagt auch A. Leidlmair*, der bis heute eine umfassende, bevölkerungsstatistische Studie über den Zustand der Höhenregion und ihre Entwicklung vermißt. Auch der hier vorgelegte Bericht kann und will aber nur erste Anhaltspunkte bieten.

Die Wandlungen und auch das Beharrungsvermögen traditionsbetonter Agrarstrukturen in der Höhenregion sind ein agrarpolitisch heikles Thema. Denn die Einkommensdisparität zwischen Berg und Tal, die ja nicht auf den Landwirtschaftssektor allein beschränkt ist, wird zwar in der Öffentlichkeit nur ungern diskutiert, sie ist aber im Laufe der Zeit nicht kleiner, sondern größer geworden. Das Leben an der "Pionierfront der menschlichen Existenz" (A. Leidlmair) ist auch heute nicht leichter, sondern eher schwerer und entsagungsvoller.

Für die Landwirtschaft der Höhenregion können wir heute, abgesehen von den dargelegten statistischen Veränderungen, noch folgende Feststellungen treffen:

Der agrarische Strukturwandel und die Anpassungen der Betriebe an den Markt haben einen Rückgang der Selbstversorgung auf etwa 10 % des Wirtschaftsumfangs der Betriebe gebracht (im Flach- und Hügelland Niederösterreichs vergleichsweise auf 2 %); dies steht vor allem mit den Möglichkeiten, die sich durch die Anwesenheit von Millionen Fremden eröffnen, in Zusammenhang.

Auch in Höhen über 1000 m Seehöhe sind Bodennutzungsverschiebungen weg von marginalen und hin zu guten Grünlandstandorten (eben, hofnah) im Gange; die Folge ist ein Mißverhältnis der Intensität der Bodennutzung, was nicht ohne Auswirkungen auf die Umweltqualität bleiben kann. Ansätze zu einer Extensivierung der Bodennutzung, die der Verteuerung der Bewirtschaftung von Hanglagen begegnen würde, sind, abgesehen von der Almwirtschaft, nicht sehr beeindruckend.

Ein (partielles) Ausweichen auf Nebenerwerbsmöglichkeiten, die die bestehende Landwirtschaft wesentlich stützen, hat wohl in Form des bäuerlichen Fremdenverkehrs in vielerlei Erscheinungsformen die größten Beiträge zur Sicherung hochalpiner Landwirtschaftsbetriebe gebracht. Neuerdings ist auch die Ausnutzung von Einkommensmöglichkeiten, die ohne Produktionsleistung zustandekommen (z.B. als Einräumung einer Dienstbarkeit), eine wesentliche monetäre Stütze der Berglandwirtschaft.

ohne ein Minimum an bergerfahrener Bevölkerung scheint die Aufrechterhaltung des Fremdenverkehrs im Hochgebirge nicht gut möglich, und es ist auch die Bewahrung volkswirtschaftlich wichtigen Wirtschafts- und Kulturbestandes, vor allem der Anlagen des Zivil- und Katastrophenschutzes, in Frage gestellt. Es besteht kein Zweifel, daß nahezu ausschließlich die Angehörigen der Berglandwirtschaft die notwendigen Anforderungen einer Bergerfahrenheit erfüllen. Hierin liegen aber auch durchaus Chancen, und zwar bodenständige Chancen, die Bergflucht der Primärbevölkerung zu überwinden; der Versuch einer agrarischen Sanierung der Höhenregion muß dagegen ganz sicher scheitern. In diesem erweiterten Sinne sind die "begleitenden Chancen", die der oft als Feind des Althergebrachten im Bergbauernraum verteufelte Fremdenverkehr mit seinen technischen, wirtschaftlichen und auch gemeinschaftsbezogenen Neuerungen eröffnen kann, bei weitem noch nicht ausgeschöpft.

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