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SR086: Nachhaltigkeit - Eine Herausforderung für die Österreichische Landwirtschaft

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Martha Neunfeufel

Zum Schluß sollen schwerpunktmäßig jene strategischen Maßnahmen zusammengefaßt werden, die für die nationale in der Verfolgung des Zieles "Nachhaltigkeit" aufgrund der bisherigen Überlegungen für unabdingbar erscheinen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen werden um drei Themenkreise gruppiert:

  • kritische Faktoren der Nachhaltigkeit in der österreichischen Landwirtschaft;
  • Forschungsbedarf;
  • Ausbau von Informationsnetzwerken.

An erster Stelle müssen die im Kap. 3.1 beschriebenen kritischen Faktoren erwähnt werden. Die hohe Energieintensität der österreichischen Landwirtschaft, die unbedingt gesenkt werden muß, ist durch zwei Faktoren bestimmt: durch den großen Anteil der industrialisierten Produktionsmethoden und das hohe Niveau der tierischen Produktion. Wir müssen betonen, daß obwohl die Landwirtschaftspolitik keines dieser Probleme im Alleingang lösen kann, sie jedoch Maßnahmen setzen kann, damit die Entwicklung in die erwünschte Richtung gelenkt wird.

Die Einführung einer Energiesteuer ist daher auch aus landwirtschaftlicher Sicht wünschenswert. Zusätzlich zu den direkten Auswirkungen durch den verminderten Energieverbrauch würde diese Maßnahme günstige Nebeneffekte haben: Die Profitabilität des biologischen Landbaus würde sich im Verhältnis zu den industrialisierten Landbaumethoden ceteris paribus erhöhen und der technische Fortschritt in Richtung Energiesparsamkeit gelenkt werden. Eine Senkung der Lohnnebenkosten könnte logischerweise simultan mit der Erhöhung der Ressourcenbesteuerung stattfinden, so daß diese Änderungen in der Summe eine Budgetneutralität ergäben. Dies würde die positiven Nebeneffekte verstärken, weil sich dadurch der Druck zur Einsparung des Arbeitseinsatzes vermindert.

Durch eine Ausdehnung der Produktion von Biomasse hat die Landwirtschaft außerdem die Möglichkeit, ihre sektorale Energiebilanz sogar doppelt zu verbessern, wenn Biomasse auf Flächen, die derzeit intensiv bewirtschaftet werden, entsprechend den Prinzipien des biologischen Landbaus erzeugt wird. Ein zusätzlicher positiver Effekt kann durch die Förderung regionaler, auf Biomasse basierender Energieversorgungssysteme entstehen, weil dadurch eine Minderung der Störanfälligkeit des Systems (vgl. Kap. 3.1) erreicht werden kann.

Die Senkung der Energieintensität durch die Änderung des Produkt-Mixes, d.h. durch die Änderung des Verhältnisses zwischen tierischen und pflanzlichen Produkten erscheint auf den ersten Blick als eine auf der Hand liegende Möglichkeit, ihre Realisierung ist aber aus zwei Gründen schwierig: Einerseits sollte dieser Prozeß gleichzeitig mit einer Verschiebung der Ernährungsgewohnheiten stattfinden, die aber nur langsam, durch gemeinsame Anstrengungen mit der Gesundheitspolitik und Konsumenteninformation zu erreichen ist. Anderseits wirken auch die bestehenden relativen Preisverhältnisse zwischen pflanzlichen und tierischen Produkte innerhalb der GAP einer solchen Strukturverschiebung entgegen. Allerdings kann eine Senkung der Intensität der tierischen Produktion in diese Richtung wirken.

Eine Senkung der Intensität der Produktion - sowohl im tierischen als auch im pflanzlichen Bereich - könnte auch durch die Koppelung der Förderungen an die Ausgeglichenheit von Energie- bzw. Stoffstrombilanzen erreicht werden: Nach einer Übergangszeit sollten nur jene Betriebe Förderungen erhalten, die eine gewisse, den regionalen Gegebenheiten und der Betriebsstruktur entsprechende Bilanz aufweisen. Die regionalen und strukturellen Erfordernisse könnten aufgrund der regionalen Notwendigkeiten und entsprechend einem Benchmarking der Betriebe festgestellt werden, wobei sowohl die regionalen als auch die betrieblichen Erfordernisse Schritt für Schritt modifiziert werden sollen, so daß das längerfristige Ziel von ausgeglichenen Bilanzen in einer - am Anfang angekündigten -Zeitspanne erreicht werden kann. (Ähnlich wie das bei Energiesteuern vorgeschlagen wurde: Die zu erwartenden Erhöhungen würden vom vornherein festgesetzt, damit alle Betriebe sich auf die zu erwartenden Änderungen einstellen können. Siehe dazu Köppl et al., 1994). Das Erreichen dieses Zieles bedarf offensichtlich der Unterstützung von Forschung und Beratung, daher wird auf dieses Thema später bei der Diskussion von Forschungsbedarf und integrierter Nachhaltigkeitspolitik wieder eingegangen.

Der nächste kritische Punkt der Nachhaltigkeit der österreichischen Landwirtschaft, der in dieser Arbeit beschrieben wurde, ist das Vorhandensein von lokal angepaßtem Saatgut und von Tierrassen. Damit die in situ Weiterkultivierung einer möglichst großen Zahl von Sorten bzw. Rassen gesichert ist, muß sowohl die Züchtung als auch die Haltung lokaler Arten gefördert werden. Die derzeitige ÖPUL-Maßnahme, die diesem Zweck dient, muß ausgeweitet werden: "Lücken", wie etwa das hier erwähnte Beispiel der Hühnerhaltung, in der die lokale Weiterzucht praktisch unmöglich ist, müssen geschlossen werden. Es soll daher systematisch untersucht werden, welche Mängel es auf diesem Gebiet gibt, und wie sie am besten behoben werden können. Die Sicherung der Versorgung mit Saatgut und Vermehrungsmaterial ist ein Problem, das nur interdisziplinär und unter Einbeziehung der Züchter und verschiedener Gruppen von Landwirten gelöst werden kann. Die Konflikte zwischen verschiedenen juristischen Regelungen, den biologischen Erfordernissen zur Aufrechterhaltung der genetischen Vielfalt, den wirtschaftlichen Interessen der Züchter und der Landwirte (insbesondere jener der Biobauern) sowie den multinationalen Firmen, können nur aufgrund von holarchischen Formen der Entscheidungsfindung gelöst werden. Eine notwendige Neuorientierung züchterischer Forschung (zur Sicherung der den lokalen Gegebenheiten angepaßten Sorten) bedarf ebenfalls solcher Methoden. Zum Erarbeiten von zweckmäßigen Maßnahmen sollte daher eine Enquete-Kommission oder eine Konsens-Konferenz eingesetzt werden.

Ähnlich können Maßnahmen, die das Wissenssystem, dessen eine nachhaltige Landwirtschaft bedarf (vgl. Kap.4.1), nur im Laufe eines Kommunikationsprozesses erarbeitet werden. In diesem Prozeß wird die Forschung besonders stark gefordert: Neben Fragen der Aus- und Weiterbildung müssen auch Fragen der Forschungsziele und -defizite sowie die der Informationsbereitstellung untersucht werden. Einige der zu untersuchenden Fragen sind:

 

Welches Wissenssystem braucht eine nachhaltige Landwirtschaft überhaupt;

welches allgemeine und spezialisierte Wissen ist auf welcher Ebene der Ausbildung anzubieten;

wie kann traditionelles, indigenes Wissen erhalten bleiben;

welche Organisationsformen der Wissensverbreitung sind effizient (Beratungssysteme, Computernetzwerke usw.);

wie können negative Auswirkungen des weiteren Rückgangs der Agrarbevölkerung auf die Verteilung des agronomischen Wissens vermieden werden.

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